Gedanken und Worte für Zwischendurch

Vor einiger Zeit hatte ich die Gelegenheit, einen Malkurs in der Toskana zu erleben: Es war herrlich! Die Landschaft, die malerischen Örtchen, das Essen, die Zusammensetzung der Gruppe von Leuten, alles war perfekt. Und der Kursleiter kompetent in allen Maltechniken.

   Noch nie habe ich so viel über Licht gehört!

«Ihr müsst lernen, zu sehen! Was seht ihr wirklich? Woher kommt das Licht, wo sind die Schatten? Wie wirkt sich die Beleuchtung auf die Farben aus? Je strahlender die Sonne scheint, desto dunkler müssen auch die Schatten dargestellt werden……..»

   Und das stimmt! Ein Bild, das weder Glanzpunkte und ganz helle Stellen noch ganz dunkle Flecken aufweist, wirkt flach, hat keine Tiefe, ist irgendwie langweilig. Weil die Spannung fehlt, der Gegensatz. Das Auge irrt ziellos auf dem Bild herum auf der Suche nach etwas Aussagekräftigem.

  Ich glaube, diese Tatsache gilt auch für das Leben der Menschen…..

  Ich weiss, dass es Zeiten geben kann, in denen man sich nichts sehnlicher wünscht, als langweiligen, «grauen» Alltag, der – wenn er schon nicht mit glücklichen, freudigen Momenten gefüllt ist – wenigstens auch keine unerträglichen Tiefschläge zu verkraften gibt. Und vielleicht gibt es sogar ganze Menschenleben, die so verlaufen.

   Viele Menschen aber machen die Erfahrung, dass das Leben beides für sie bereithält. Je finsterer die Schattenseiten sind, desto weniger braucht es möglicherweise, um Glück und Schönheit – zumindest schnell vorübergehend – empfinden zu können. Manchmal ist es leider auch umgekehrt: Der überraschende Sturz aus einem hellen, glücklichen Leben in ein «schwarzes Loch» ist schrecklich. Und möglicherweise wird es einem erst nachträglich bewusst, wie farbenfroh und hell es war…..

   Vielleicht ist es das, was mit «Leben in Fülle» gemeint ist: Nicht kontrastloses Einerlei, sondern pralle Sonne und alle denkbaren Lichtverhältnisse bis hin zu den finstersten Schatten.

Text und Bild: Brigitte Herzog

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