Liebe…..

Dieses Wort stellt mich immer wieder vor Rätsel!

«Ach herrjeh, was hat sie denn jetzt wieder für ein Wörterproblem», werden sich manche Leute denken, die manchmal in die Homepage reinschauen. Das ist doch alles sonnenklar!

   Auf den ersten Blick vielleicht schon. Immerhin wird das Wort täglich und vielfach gebraucht und man könnte meinen, dass jeder auch das gleiche darunter versteht. Tatsächlich aber ist «Liebe» etwas sehr Individuelles, das doch kräftig von den Lebens- und Leidenserfahrungen eines Menschen geprägt ist.

   Während wir in der deutschen Sprache nur ein Wort für Liebe haben, haben die alten Römer schon sprachlich genauer unterschieden, wovon sie genau sprechen: Für die fürsorgliche Liebe gebrauchten sie das Wort «caritas», also für das, was in menschlichen Gemeinschaften unverzichtbar ist. Dann kannten die Römer das Wort «libido» für die geschlechtliche Liebe, die etwas sehr Privates ist, aber heutzutage in Filmen, Werbung und in sozialen Medien bis zum Überdruss ausgeschlachtet wird. Dann gebrauchten die Römer das Wort «amor», was am ehesten dem entspricht, was wir bedenkenlos mit Liebe bezeichnen. Bei den Römern war schon vom Sprachgebrauch her klarer, wovon genau die Rede ist….

   Bei uns im Deutschen, wo es für all die verschiedenen Möglichkeiten von Bedeutungen eigentlich nur ein Wort gibt, ist es mit dem Verständnis ein bisschen komplizierter. Denn im Namen dieser «Liebe» werden sehr viele Dinge gesagt und getan, je nach individuellem Verständnis……

  Früher galt häufig der Spruch (Sprüche 13:24) «Wer die Rute schont, der hasst seinen Sohn. Wer ihn aber lieb hat, der züchtigt ihn…..» Im Namen dieser «Liebe» wurden und werden unfolgsame Kinder körperlich gezüchtigt.

    Im Namen der Liebe wird Kindern mit weinenden Schutzengeln und hämisch lachenden Teufeln und mit der drohenden Hölle ein schlechtes Gewissen gemacht, damit Erwachsene ihren Willen durchsetzen können, wenn ihnen vernünftige Argumente ausgehen.

   Im Namen der Liebe verharren Menschen in Situationen, die sie krank machen, weil der moralische Druck der Liebe auf ihnen lastet.

   Fast alles lässt sich durch Liebe erklären und rechtfertigen, wenn man es nur passend darstellt:

»Ich muss dich doch vor dir selbst beschützen!»

«Du musst doch erkennen, dass du nicht auf dem richtigen Weg bist»

«Ich mein es doch nur gut!»

Im Namen der Liebe entsteht natürlich auch viel Gutes und Schönes, das bezweifle ich nicht. Aber häufig wird das Wort «Liebe» als erpresserisches Argument verwendet, als Rechtfertigung, als moralisches Druckmittel. Oder es wird als Synonym für andere Wörter gebraucht, weil es so freundlich und positiv klingt und man nur schlecht widersprechen kann, im Gegensatz zu dem, was wir vielleicht wirklich meinen: Gewohnheit, Bequemlichkeit, Angst vor dem Alleinsein, Service, körperliche Bedürfnisse, Aufopferung, Unterwerfung……

Das Wort «Liebe» kann das Tor zu einem sehr komplexen Thema sein, wenn man genauer hinschaut. Manchmal sollten wir das…..

Text: B. Herzog; red./MS

Szene; Maria Magdalena, wie sie Jesus die Füße salbt und sie mit ihrem Haar trocknet
Quelle: B. Herzog; aufgenommen in der Stiftskirche St. Gallen
Szene: Maria Magdalena, wie sie Jesus die Füsse salbt und sie mit ihrem Haar trocknet.