Bergsteigen

   Wenn ich heute wandern gehe, achte ich bei der Wahl der Wanderroute darauf, dass der Weg nicht über längere Strecken durch Felsen führt. Ich möchte ein gemütliches, «erbauliches» Wandererlebnis haben, keine Wege, die mich stressen und überfordern….

   Ich kann mich erinnern, dass ich als Kind einige Bergtouren mit meinem Vater erlebt habe. Eine ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Warum bin ich damals eigentlich mitgegangen? Ich wusste doch, welchen Gipfel wir besteigen wollten und wie der schon von unten ausschaut! Die Antwort ist ganz einfach: Papa hat mich mitgenommen. Er hat es mir zugetraut. Wieso hätte ich Bedenken haben sollen?

   Die erste Etappe war einfach: Durch Wald und dann im Zickzack über eine Geröllhalde. Als wir die Felsen erreichten, hat mein Vater mich angeseilt. «Geh immer aufrecht, schau nicht hinunter und konzentrier dich auf den Weg!» Schon bald wurde mir klar, wieso. Rechts ragten die Felswände in den Himmel, an diese geschmiegt verlief ein schmaler steiniger Weg und links neben mir der Abgrund, der das Geschrei der Bergdohlen als

Echo zurückwarf. Ohne Seil hätte ich keinen Schritt mehr gemacht. Aber ich wusste, mein Vater konnte mich halten, er würde nicht zulassen, dass mir etwas passiert – kindliches Vertrauen ohne Bedenken.

Das erleichterte, glückliche Gefühl, als wir dann den Gipfel fast überraschend erreichten, und den atemberaubenden Weitblick werde ich aber auch nie vergessen!

Die Situation, die wir jetzt haben, erscheint mir ein bisschen ähnlich: Wir gehen einen schwierigen, einsamen, nicht ganz ungefährlichen Weg. Er ist anstrengend, überfordert uns in mancher Hinsicht und der Gipfel entzieht sich unserem Blick.

Aber: Wir haben einen Vater, der mitgeht und uns «ans Seil nimmt», der es uns zutraut. Und die Erleichterung, wenn wir auf dem Gipfel stehen, wird riesig sein. Und ich bin sicher, dass der Weitblick, den dieser steinige Weg mit sich bringen wird, auch von guten, neuen Erfahrungen,  vielleicht auch einem veränderten Bewusstsein und einer Konzentration auf wirklich Wesentliches begleitet werden wird….

 Text und Bild: Brigitte Herzog-Wachter

20180719 120803