
Die Frauen am Tag der Auferstehung
Jedes Mal, wenn ich die Ereignisse der Osterzeit höre, überlege ich mir, wie das damals für alle Beteiligten, für die Freunde Jesu wohl gewesen sein mag…
Johannes, damals noch fast ein Kind, war zusammen mit den Frauen unter dem Kreuz. Markus war wohl irgendwo in der Menschenmenge, denn er schreibt mehr von einem Beobachterposten aus. Judas ist zu diesem Zeitpunkt vermutlich schon nicht mehr am Leben. Was haben die anderen, denen Jesus nahegestanden ist, in diesen schrecklichen Tagen wohl gemacht? Die Auferstehung war noch nicht geschehen, die Angst vor den römischen und den eigenen jüdischen Behörden gross, Jesus, in dem viele den Befreier Galiläas von der römischen Herrschaft sahen, tot.
Wo die Weggefährten Jesu in dieser Zeit gesteckt sind, ist nicht überliefert. Um den Leichnam Jesu hat sich kein Jünger gekümmert. Es war Joseph von Arimathia, der sich darum gesorgt hat, dass Jesus eine letzte Ruhestätte erhält, rechtzeitigt vor dem „Rüsttag“. Vielleicht musste er als respektierter Ratsherr keine Repressionen fürchten…
Sehr würde es mich interessieren, was die Jünger in diesen Tagen gemacht haben! Sie waren wohl mit dem Ablauf der Ereignisse total überfordert und verunsichert. Vielleicht sind sie an einem geheimen Ort zusammengetroffen, um darüber zu beraten, wie es nun weitergehen sollte? Ob sie seine Botschaft, laut seinem Auftrag, weitertragen sollten – trotz Todesgefahr? Was bedeuteten Jesu Worte nun nach seinem Tod noch? Von der Auferstehung wussten sie ja noch nichts…Oder ob sie doch lieber nach Hause zu ihren Familien zurückkehren sollten? So genau erhalten wir keine Auskunft über diese Zeit.
Die Frauen konnten die Vergangenheit jedenfalls nicht auf sich beruhen lassen. Sie konnten das, was geschehen war, nicht abschliessen und Überlegungen für die Zukunft anstellen. Es drängte sie, Jesus noch etwas Liebes zu tun, sich von ihm zu verabschieden, seinen geschundenen Körper in einen akzeptablen Zustand zu bringen und durch das etwas Trost zu erlangen. So wie die Menschen zu allen Zeiten hatten auch sie das Bedürfnis, ihrem lieben Toten noch etwas von sich mitzugeben: Salben, Öle, Fürsorge, Liebe. Es war für sie so wichtig, dass sie dafür bereit waren, gegen das jüdische Gesetz zu verstossen, in das bereits geschlossene Grab einzudringen, sich strafbar zu machen wegen Störung der Totenruhe. Sie hatten Mut! Der Schock, als sie sahen, dass der schwere Stein, der ihnen schon unterwegs Kopfzerbrechen bereitet hatte, schon entfernt worden war, ist gut nachzuempfinden. Im Grab entdeckten sie einen Jüngling, der ihnen Dinge sagte, die sie nicht verstehen konnten – er redete von Auferstehung. War es nicht viel verständlicher und wahrscheinlicher, dass die Behörden ihn entfernen haben lassen? Hatten diese Angst, sie hätten mit Jesu Hinrichtung einen Märtyrer geschaffen, der erst recht Unruhe in das aufrührerische Land bringen würde? Hatten sie ihn geholt, um seinen Gefolgsleuten den Ort zu nehmen, an dem sie trauern und Trost finden konnten? Warum konnten sie ihn nicht wenigstens im Tod in Ruhe lassen? Wo haben sie ihn hingebracht? Die Ungewissheit ist es doch, die unerträglich ist!
Ich denke, diese Ereignisse beschreiben schön die Menschen im Ausnahmezustand! Die einen, die trauern und sich dem Schmerz hingeben, andere, die sich verkriechen und sich nirgends mehr blicken lassen, wieder andere, die verstandesmässige Pläne schmieden, um handlungsfähig bleiben zu können und um sich durch operative Hektik vom Schmerz abzulenken.
Die Menschen damals waren wie wir….
Text und Bild: Brigitte Herzog